Die taiwanische Tee-Kultur

Ihr könnt Taiwan nicht besuchen ohne mindestens ein Mal einen taiwanischen Tee gehabt zu haben. Sei es Oolong vom Maokong Berg, Baozhong oder die klassiche grüne Variante. Getrunken in einem Teehaus oder bei Freunden daheim. Es gibt zahlreiche Gelegenheiten, um für kurze Zeit dem Alltag und dem Trubel Taiwans zu entfliehen und einen Tee zu genießen. In diesem Artikel möchte ich euch die taiwanische und chinesische Teekultur, welche unweigerlich miteinander verbunden sind, etwas näher bringen. Vielen Dank auch an Sebastian Changen Du, für die Inspiration und Unterstützung dieses Artikels.

1. Tee oder Cha?

Die chinesische Sprache kennt zwei Begriffe für Tee: im Norden sagt man ,,cha“, im Süden ,,te“. Weil der Tee nach Europa über den Seeweg kam – und damit über die Häfen im Süden Chinas- hat sich dort Tee durchgesetzt. Nach Russland oder in die Türkei kam der Tee über den Landweg im Norden Chinas. Die Bezeichnung ist in diesen Sprachen ein Lehnwort von ,,cha“.

2. Die taiwanische Teekultur

Die Besonderheit des taiwanischen Tees liegt nicht nur in diesem selbst, sondern auch in den unzähligen Verwendungsmöglichkeiten. Es gibt eine reiche Vielfalt schmackhafter Teespezialitäten, vergleichbar mit unserem Kaffeegebäck. Bei einigen Speisen ist Tee die wichtigste Zutat. Es vergrößert die Anwendungsmöglichkeiten der Teeblätter um ein Vielfaches.

Sie werden etwa bei Mondkuchen, Likören, Nudeln und anderen Teeprodukten genutzt. In Taiwans Kultur gehören solche Erfrischungen und Köstlichkeiten einfach dazu. Ein Beispiel für den Einfallsreichtum der Teekultur aus Taiwan ist der inzwischen weltweit bekannte Bubbletea (Tapiokaperlen-Tee), welcher nicht zufällig in Taiwan erfunden wurde.

Pineapple-Cake

3. Die Geschichte des Tees

China ist das Mutterland des Teeanbaus. Wann damit genau begonnen wurde, lässt sich jedoch nicht nachweisen. Sicher ist, dass es bereits im Jahr 221 v. Chr. unter der Qin-Dynastie eine Teesteuer gab. Das Getränk wurde damals noch vor allem als Medizin gebraucht.

Während der Tang-Dynastie (618-907) wurde Tee am Kaiserhof vermehrt als Genussmittel getrunken und so in die Oberschicht eingeführt. In dieser Zeit begannen auch Mönche in buddhistischen Klöstern damit, während ihrer oft stundenlangen Meditationen Tee zu trinken. Unter anderem, um wach zu bleiben.

Nach einiger Zeit begannen die Mönche, selbst die Pflanzen anzubauen. In der Tang-Dynastie erschien auch das weltweit erste Buch über Tee, das Chajing von Lu Yu, der als Waise in einem buddhistischen Kloster aufwuchs, verfasst hat. Er hatte den Beinamen „Der Gott des Tees“. In dieser historischen Phase begann auch der Export ins Ausland, zunächst nach Korea und Japan.

Unter der Song-Dynastie übernahmen die Familien der Oberschicht verstärkt das Teetrinken. Es wurden Wettbewerbe eingeführt, um die besten Sorten des Landes zu ermitteln. Gleichzeitig wurde die Kunst des Teekochens verfeinert. Zur Zeit der Yuan-Dynastie breitete sich der Tee in der gesamten Bevölkerung aus. Während der Ming-Dynastie begründete Zhu Quan, der 17. Sohn des Ming-Kaisers Hongwu, eine neue Schule der Teekunst.

In früheren Zeiten gab es sehr viele öffentliche Teehäuser in China, die jedoch während der Kulturrevolution schließen mussten. Unter Mao Zedong flohen neben Intellektuellen auch viele Teemeister in die Republik China auf Taiwan. In den chinesischen Familien ist die Teekultur deshalb heute nur noch in rudimentärer Form erhalten, erlebt aber in wohlhabenden Bevölkerungskreisen wieder eine Renaissance.

4. Das Besondere am Taiwanischen Tee

Traditionelle Teesorten aus Taiwan sind Oolong und Baozhong. Später kamen noch Schwarzer und Grüner Tee dazu. Taiwan exportiert diese Tees seit dem Ende des 19. Jahrhunderts. Taiwanische Tees gibt es in vielen unterschiedlichen Geschmacksrichtungen, von mild über lieblich und fein bis stark. Besonders der Genuss von Oolong hat eine beruhigende Wirkung. Zum Teegenuss gehören auch das passende Teeservice und die traditionelle Zeremonie. Alles zusammen hat eine erholende Wirkung, die den Stress des Alltags abbaut. Traditionelle Teehäuser dienen als Zufluchtsorte in den großen Städten, in die die Besucher gehen, um dem Trubel des Stadtlebens zu entkommen.

Teeplantage

5. Anbau und Sorten

Der chinesische Tee wird vor allem im Süden des Landes angebaut. Der grüne Tee kommt aus den ostchinesischen Provinzen Zhejiang, Anhui und Fujian, der Oolong aus Fujian oder Taiwan, der gelbe Tee aus Hunan und der rote aus Sichuan und Yunnan. In China unterscheidet man im Wesentlichen sechs Teesorten:

  • 綠茶 , lǜchá ‚Grüner Tee‘
  • 白茶, báichá ‚Weißer Tee‘
  • 黃茶 , huángchá ‚Gelber Tee‘
  • 烏龍茶, wūlóngchá ‚Oolong Tee‘ (halbfermentiert)
  • 普洱茶, pǔ’ěrchá ‚Pu-Erh Tee‘ (nachfermentiert aus der Stadt Pu’er)
  • 紅茶, hóngchá ‚Roter Tee‘ (dt. Schwarzer Tee)

Es ist auch durchaus üblich, anstatt des Gelben Tees aromatisierte Tees (wie etwa Jasmintee) als sechste Sorte einzuordnen. Bei der Wahl eines guten Tees sind Frische (natürliche, nicht zu helle und nicht zu dunkle Teeblatt-Farbe), Natürlichkeit (ohne Konservierungs- und ohne Geruchsstoffe), ein ungeteiltes Teeblatt (ganze Teeblätter statt Pulver oder Staub) und Gleichartigkeit des Naturprodukts (einzelne Teeblätter haben ähnliche Farbe und Form) die wichtigsten Kriterien.

 

6. Die Teezeremonie

Teezeremonie

Die chinesische und taiwanische Teezeremonie wurde nie so stark verfeinert und überhöht wie in Japan, dafür ist sie stärker in der gesamten Bevölkerung verwurzelt. Es gibt mehrere Arten der Zeremonie, wozu jeweils unterschiedliche Teesorten verwendet werden. Für die recht bekannte Gongfu Cha reinigt der Teemeister zunächst die Teeschalen und die Kanne mit heißem Wasser. Dann werden die Oolong-Blätter in die Kanne gegeben und mit heißem Wasser übergossen. Dieser erste Aufguss öffnet nur die Blätter und mildert die Bitterkeit der späteren Aufgüsse. Er wird sofort in die Schälchen abgegossen und nicht getrunken. Dieser heißt „Aufguss des guten Geruchs“.

Der Meister füllt das Kännchen ein zweites Mal mit Wasser, lässt den Tee etwa 10 bis 30 Sekunden ziehen und gießt den Aufguss dann „schichtweise“ in die Teeschalen, damit jeder Gast die gleiche Aufgussqualität erhält. Das ist der „Aufguss des guten Geschmacks“. Die Aufgüsse werden dann mit demselben Tee mehrfach wiederholt, bei sehr guter Qualität bis zu 15 mal (Aufgüsse der „langen Freundschaft“).

Dabei lässt man den Tee jeweils zehn Sekunden länger ziehen als zuvor. Jeder Aufguss schmeckt anders. Da die Teeblätter unmittelbar nach einem Aufguss nicht „weiterarbeiten“ sollen, wird der Tee meistens zunächst in eine zweite Kanne gegossen und aus dieser eingeschenkt. In einer verfeinerten Variante der Teekunst wird der Aufguss erst in Duftbecher gegossen und von diesen in die Trinkschalen. Der Teetrinker begutachtet das Aroma des Tees zunächst durch Riechen am geleerten Duftbecher.

7. Ein gutes taiwanisches Teeservice

Taiwanische Teeservices sind fein, elegant und in sanften Farben gehalten. Es gibt sie in zahllosen Formen und sie sind wunderbar künstlerisch verarbeitet. Sie besitzen viele Funktionen und Verwendungsmöglichkeiten und sind deshalb bequem und einfach zu handhaben. Die Kunstfertigkeit zur Herstellung von Teeservice hat sich bereits auf ein so hohes Niveau entwickelt, dass man es schon als Kunstform betrachten kann. Geschäfte, die Tees und Teeservices verkaufen, bieten einen interessanten Einblick in die Kultur und Vielfältigkeit der taiwanischen Teekultur.

8. Soziale Bedeutung

Gäste werden in China und Taiwan zum Zeichen der Wertschätzung immer mit Tee bewirtet. Diese Geste existiert bis heute auch noch innerhalb der Familien. Die jüngere Generation bietet den älteren Tees an, um ihre Ehrerbietung zu zeigen. Die Fähigkeit, guten Tee zuzubereiten, war früher auch ein wichtiges Kriterium bei der Auswahl künftiger Schwiegertöchter.

In den wohlhabenderen Familien der Han-Chinesen zeigte die Teekanne den sozialen Status der Trinker an: Für die Diener, Tagelöhner etc. gab es eine große Kanne aus Zinn, die in einem Holzeimer mit Öffnung stand. Hielt man den Eimer schräg, floss der Tee heraus; so brauchte man keine Teeschale. Eine kleinere Porzellankanne war für die Familie und Gäste bestimmt. Das Familienoberhaupt und Ehrengäste tranken ihren Tee dagegen aus Teeschalen mit Deckeln.

Soziale Bedeutung

Tee spielt auch bei vielen Bräuchen eine wichtige Rolle als symbolische Gabe, vor allem bei Hochzeits- und Verlobungsbräuchen. Die Verlobungsgeschenke der Han-Chinesen heißen heute noch „Teegeschenke“. Das geht auf die Song-Dynastie zurück, als es üblich wurde, der Familie der auserwählten Braut Tee zu überbringen. Der Heiratsvermittler hieß „Teedosenträger“. In der Provinz Jiangsu wurde der Bräutigam am Tag der Hochzeit von den männlichen Verwandten im Haus der Braut mit Tee empfangen. Dabei hatte er drei Tassen zu trinken, die der „Tee des Türöffnens“ genannt wurden. Dann durfte er auf die Braut warten.

In der Provinz Hunan gehörte Tee zur Hochzeitsfeier. Das Brautpaar bot reihum allen Gästen Tee an als Zeichen der Wertschätzung, die sich wiederum mit Geldgeschenken bedankten. Dann trank das Paar eine Tasse Tee „für die Zusammenführung der Kopfkissen“. Bei der Volksgruppe der Bai gehört ein Teeritual im Schlafzimmer der Brautleute zu den Hochzeitsbräuchen. Das Paar bietet den dort anwesenden Gästen dreimal hintereinander Tee an, zuerst bitteren, dann gesüßten Tee mit Nusskernen und schließlich süßen Milchtee.

Von einer Schwiegertochter wurde früher auch erwartet, dass sie es verstand, guten Tee zuzubereiten. Am Tag nach der Hochzeit hatte sie früh aufzustehen und ihren Schwiegereltern Tee zu servieren. Auch war es üblich, dass der älteste Sohn oder die älteste Tochter einer Familie den Eltern jeden Morgen im Namen der Kinder eine Tasse Tee brachte.

Seid ihr auch Teetrinker? Welcher Tee ist euch der Liebste und wie bereitet ihr diesen zu? Kommentare für den regen Austausch sind mir herzlich willkommen 🙂